Fachbeiträge und Veröffentlichungen;
Sachverständigenwesen in Deutschland unter besonderen Bezug auf das Fachgebiet der Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken und Schäden an Gebäuden
Der Sachverständige hat sich im Wirtschaftsleben unseres Landes schon seit langem fest etabliert und gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Die oft vertretene Meinung, dass sich jeder als Sachverständiger bezeichnen kann, der sich dafür hält, kann so nicht akzeptiert werden. Auch wenn man keine behördliche Zulassung braucht, seine persönliche Integrität nicht darlegen muss oder sonstige gesetzliche Voraussetzungen zu erfüllen hat, handelt man zur Täuschung im Rechtsverkehr, wenn man sich als Sachverständiger in der Öffentlichkeit bezeichnet ohne bestimmte Voraussetzungen zu besitzen.
Leider unterliegt das Sachverständigenwesen in Deutschland einer Zersplitterung, die sich in der Vielzahl gegründeter Organisationen und entstandenen Strukturen widerspiegelt. Trotzdem greift der Gesetzgeber bei der Einführung neuer Zulassungs- Prüf- und Überwachungsmöglichkeiten nicht immer auf bestehende Sachverständigenstrukturen zurück, die er selbst für hochqualifizierte Gutachten und Beratertätigkeit für Gerichte und Behörden geschaffen hat; zu nennen primär das Institut der „Öffentlichen Bestellung und Vereidigung“
Da die Sachverständigentätigkeit in der Regel einen erheblichen Einfluss auf fremde Entscheidungen – insbesondere Gerichtsentscheidungen mit unter Umständen weitreichenden Folgen haben kann, werden in der Rechtsprechung und der Sachverständigenordnung von den Körperschaften, die Sachverständige öffentlich bestellen, die Anforderungen an die Sachverständigen sehr hoch angesetzt.
Die Ergebnisse der bei den IHK üblichen „Überprüfung der besonderen Sachkunde“ von Anwärtern zur öffentlichen Bestellung und Vereidigung verdeutlichen das hohe fachliche Niveau. Ein positives Ergebnis bei der „Überprüfung der besonderen Sachkunde“ erreichen in der Regel nur ca. 10 % der Bewerber. Aufgrund der hohen fachlichen Anforderungen und besonderen gesetzlichen Bestimmungen zur öffentlichen Bestellung und Vereidigung (ö. b. u. v.), hat der Gesetzgeber gerade diesen Sachverständigen eine hervorgehobene Stellung eingeräumt.
Neben den ö. b. u. v. Sachverständigen gibt es, auch partiell fachgebietsspezifisch, weitere Arten von Sachverständigen. So genannte amtlich anerkannte und „freie“ Sachverständige, behördliche Sachverständige sowie Behörden als Sachverständige sind auf dem „Markt“ des Sachverständigenwesen zu finden.
Die Kategorie der amtlich anerkannten Sachverständigen ist speziell für die technische Überwachung (z.B.: TÜV o. DEKRA) geschaffen worden.
Unter behördliche Sachverständige versteht man als Sachverständiger tätige Personen bei einer Behörde (z.B.: LKA, Finanzamt etc.).
Unter Behörden als Sachverständige fallen insbesondere Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft (z.B.: IHK, HWK, RA-Kammer etc.).
Das Sachverständigenwesen für die Fachgebiete der Grundstücksbewertung und Schäden an Gebäuden ist vor allem unter zwei Aspekten zu betrachten.
1. Sachverständigentätigkeit auf öffentlich rechtlicher Basis
2. Sachverständigentätigkeit auf privatrechtlicher Basis
Zu 1.
Zu den erst genannten gehören ausschließlich Sachverständige, die einer öffentlichen Bestellung und Vereidigung nach § 36 GewO bzw. nach § 91 der HwO unterzogen wurden. Damit soll es Privatpersonen, Behörden und Gerichten ermöglicht werden, sich solcher Sachverständiger zu bedienen, die aufgrund behördlicher Überprüfung die Gewähr für Zuverlässigkeit und besonderer Sachkunde bieten und als unparteiische Gutachter besonders geeignet sind. Bestellungsbehörden sind in den meisten Bundesländern die IHK oder die HwK.
Die ö. b. u. v. Sachverständigen sind aufgrund des Verpflichtungsgesetzes vom 02. 03. 1974 geändert am 15. 08. 1974 zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Obliegenheiten verpflichtet. Damit unterliegen sie, ohne Amtsträger zu sein, den verschärften Amtsdelikten des Strafgesetzbuches. Sie sind damit u. a. auf die gewissenhafte Erfüllung der Schweigepflicht verpflichtet, deren Verletzung nach § 203 StGB für den ö. b. u. v. Sachverständigen strafbar ist.
Darüber hinaus hat der ö. b. u. v. Sachverständige den Pflichtenkatalog der Kammern einzuhalten, auf deren Grundlage auch der Gesetzgeber diesen Sachverständigen eine hervorgehobene Stellung einräumt. Dieser Pflichtenkreis ist in Verbindung mit seiner nachgewiesenen persönlichen und fachlichen Eignung zur Gutachtenerstattung unverändert der Hauptgrund dafür, dass ö. b. u. v. Sachverständige in der Öffentlichkeit ein hohes Ansehen genießen. Ursächlich ist vor allem die diesen Sachverständigen obliegende strikte Einhaltung von Objektivität und Neutralität.
Zu 2.
Bei den auf privatrechtlicher Basis tätigen Sachverständigen ist zwischen den nach EU-Norm (ISO/IEC 1704 –alt EN 45013) zertifizierten Sachverständigen und den nach verbandsinternen Vorgaben arbeitenden sowie privat tätigen Sachverständigen zu unterscheiden.
Die Zertifizierung nach Euronorm wurde im Rahmen der Rechtsangleichung innerhalb der EU geschaffen, da die öffentliche Bestellung und Vereidigung nur in Deutschland und Österreich durchgeführt wird. Sie liegt nicht im Bereich öffentlich rechtlicher Körperschaften, sondern akkreditierter Privateinrichtungen. Diese Zertifizierung erfolgt unter ähnlichen fachlichen Vorgaben, wie die Überprüfung der besonderen Sachkunde zur öffentlichen Bestellung. Wegen der unterschiedlichen Rechtsstellung ist jedoch eine Kompatibilität der beiden Systeme nur insoweit gegeben, das der ö. b. u. v Sachverständige die Erstzertifizierung aufgrund seiner Bestellung zugesprochen bekommen kann, der zertifizierte Sachverständige die öffentliche Bestellung i. R. nicht.
In Deutschland existieren für die Wertermittlung folgende vom Deutschen Akkreditierungsrat (DAR) zugelassene Zertifizierungsstellen:
- Institut für Sachverständigenwesen (IfS), Köln
- Wertermittlungs-Forum Zert
- Hyp Zert GmbH
- DIA Consult AG
ISO/IEC 1704 bzw. EN 45013
Fazit:
Der ö. b. u. v. Sachverständige nimmt in Deutschland aufgrund seiner öffentlich rechtlichen Stellung und seiner fachlichen Voraussetzungen sowie der ständigen Kontrollen durch die Kammern, eine dominierende Rolle ein. Bei der Vergabe von Aufträgen durch Behörden oder Gerichte sollte dies insbesondere Berücksichtigung finden.
Der nach EU-Norm zertifizierte SV besitzt ähnliche fachliche Voraussetzungen wie der ö. b. u. v. SV, unterliegt aber ausschließlich privatrechtlichen Regulativen und Kontrollmechanis-men der Zertifizierungsstellen.
Die sonstigen freien SV unterliegen ebenfalls dem Privatrecht und arbeiten i. R. nach den Vorgaben eines Verbandes oder einer privaten Sachverständigenorganisation. Fachliche Begleitungen und Kontrollen sind in sehr unterschiedlicher Qualität über die einzelnen Verbände gegeben aber nicht durch übergeordnete Instanzen geprüft.
Holger Hertwig
Quelle: „Praxishandbuch Sachverständigenrecht“ – 3. Auflage; Dr. Walter Bayerlein